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Bodensee: Tiefseesaibling nicht ausgestorben

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Lange Jahre verschollen: Tiefseesaibling (Salvelinus profundus) aus dem Bodensee. Bild: U. Schliewen/SNSB-ZSM

Ein unglaublicher Fischfang im Bodensee gab Experten seit 2014 eine ganze Fülle von Rätseln auf. Wissenschaftler der Fischereiforschungsstelle Langenargen (FFS/LAZBW) sowie des Wasserforschungsinstituts der Schweiz (EAWAG) entdeckten damals einige Exemplare des Tiefseesaiblings in ihren Netzen – nachdem dieser über 40 Jahre lang verschollen war.

Hatte man den bis zu 25 cm langen Tiefseesaibling in einem der bestuntersuchten Gewässer der Welt einfach 40 Jahre übersehen? Oder sind die wiederentdeckten Tiefseesaiblinge Abkömmlinge der normalen, nie ausgestorbenen Saiblinge, die sich im immer nährstoffärmeren Bodensee wieder an das Leben in der Tiefe anpassen konnten?

Tiefseesaiblinge sind deutlich kleiner

Um dem rätselhaften Wiederscheinen des Tiefseesaiblings auf den Grund zu gehen, befischte die Fischereiforschungsstelle über mehrere Jahre hinweg die großen Tiefen des Bodensees – und fing dabei neben dem bis zu 40 cm großen Normalsaibling (Salvelinus cf. umbla) auch immer wieder Exemplare des deutlich kleineren Tiefseesaiblings (Salvelinus profundus).

Genetisch identisch mit der ursprünglichen Form

Genetische Untersuchungen ergaben nun, dass die DNA der heutigen Tiefseesaiblinge nahezu identisch ist mit der DNA der früheren, vor über 40 Jahren im Bodensee lebenden Tiefenformen. Einer Forschergruppe um Jan Baer (FFS/LAZBW) und Ulrich Schliewen (SNSB-Zoologische Staatssammlung München) gelang es, für ihre Studie aus historischen Sammlungen brauchbare DNA-Fragmente zu gewinnen. Überrascht hat die Wissenschaftler auch, dass sich die DNA des nie verschollenen Normalsaiblings deutlich von der DNA früher im See vorkommender Individuen unterscheidet. Die Arbeit liefert außerdem klare Belege dafür, dass Normal- und Tiefseesaiblinge nach wie vor völlig unterschiedliche Laichgebiete und Laichzeiten besitzen. Hypothesen zur Vermischung beider Formen oder rapide evolutionäre Anpassungsstrategien – wie sie von Teilen der Fachwelt kurz nach der Wiederentdeckung des Tiefseesaiblings angestellt wurden – haben sich daher nicht bestätigt. Die Ergebnisse des Vergleichs von historischen mit den heutigen Saiblingsformen des Bodensees wurden nun in der renommierten Fachzeitschrift Ecological Applications veröffentlicht.

Zum Vergleich: Normalsaibling (Salvelinus cf. umbla), ebenfalls aus dem Bodensee. Bild: U. Schliewen/SNSB-ZSM

In der Tiefe unentdeckt überlebt

„Offenbar haben Hilferufe der Berufsfischer in den 1950er Jahren Wirkung gezeigt: Schon früh ergriffene Maßnahmen gegen Überdüngung haben offenbar die Erhaltung des Lebensraums des Tiefseesaiblings bewirkt. Die heutigen Tiefseesaiblinge stammen direkt von ursprünglichen Exemplaren ab. Es muss also einigen Tieren gelungen sein, in der Tiefe des Sees unentdeckt zu überleben“, so Dr. Jan Baer von der Fischereiforschungsstelle Langenargen.

Saiblingsbesatz war keine gute Idee

„Unsere Daten zeigen aber gleichzeitig auch, was Besatzmaßnahmen im Bodensee mit Saiblingen aus aller Welt bis in die 1990er Jahre bewirkt haben: Die ursprüngliche Normalform des Saiblings aus dem Bodensee wurde fast vollständig verdrängt und größtenteils durch einen Mix aus Zuchtfischen ersetzt“, sagt Dr. Ulrich Schliewen Fischexperte der Zoologischen Staatssammlung München.

Da Bodensee-Anrainer inzwischen seit Jahren keine fremden Saiblinge mehr in den Bodensee einbringen, hoffen die Projektverantwortlichen, dass sich die letzten Nachkommen der ursprünglichen Normalsaiblinge im Lauf der Zeit wieder durchsetzen werden.

-Pressemitteilung Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns-

Heutige Tiefseesaiblinge (Salvelinus profundus) aus dem Bodensee sind sowohl genetisch als auch in ihrer Gestalt mit historischen Exemplaren nahezu identisch. Zugleich unterscheidet sich der Normalsaibling (Salvelinus cf. umbla) deutlich von früher im See vorkommenden Individuen. Dies zeigt eine neue Studie von Forschern der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM), der Fischereiforschungsstelle Langenargen und der Universität Bergen (Norwegen). Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler nun in der Fachzeitschrift Ecological Applications.

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