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Kleine Geheimnisse

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Kleine Geheimnisse

THOMAS KALWEIT verrät, was Sie schon immer über Pose, Vorfach und Angelschrot wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten.

Oft erzählen gerade die unscheinbaren Zubehörteile aus Sitzkiepe und Gerätekoffer die spannendsten Geschichten. Man muss nur Fragen stellen, die noch niemand gestellt hat. Ob Bildungslücke oder Ballastwissen – entscheiden Sie selbst!

Warum heißt die Pose eigentlich Pose?

„Ab inne Posen!“ riefen norddeutsche Väter in früheren Tagen ihren müden Kindern zu, wenn die Bettzeit angebrochen war. Auch damals wollten die Kleinen nicht freiwillig „inne Posen jeh’n“, sprich ins Federbett hüpfen. Der norddeutsche Begriff „Pose“ bezeichnet aber nicht die ganze Feder, sondern nur den Federkiel. Das Wort wurde auch für Schreibfedern benutzt, welche in der Regel von der Gans stammten. Die Kiele der großen Flügelschwungfedern wurden also als Posen – zum Schreiben und zum Angeln – verwendet.

Hier eine Bauanleitung von Baron von Ehrenkreutz aus dem 19. Jahrhundert: „Zwei Federposen werden da, wo die Federn anfangen, schräg abgeschnitten und die kleinere in die größere etwa einen starken halben Zoll eingezwängt; auf diese Art kommen die beiden Spitzenenden der Federposen auswärts. Da, wo die beiden abgeschnittenen, zusammengeschobenen Enden sind, also in der Mitte, werden sie mit einem seidenen Faden ganz dicht umwickelt und der Faden wird dann gefirnisst.“ Als Firniss diente in Spiritus aufgelöster Schellack. Als Posenringe, zum Festklemmen der Schnur, fanden mit der Klinge abgeschnittene Federkiel-Scheibchen Verwendung. Doch dieser Schwimmer war keine Erfindung des Barons, eine identische Bauanleitung mit Abbildung findet sich schon 1577 im englischen Klassiker „Arte of Angling“ von William Samuel.

Vor- und Hinterfach

Wenn es ein Vorfach gibt, muss es nicht dann auch ein Hinterfach geben? Unsere Altvorderen stellten einfache Angelschnüre aus Pferdehaaren her. Durch Verdrillen entstanden kurze Schnurstücke in der Länge eines Pferdeschweifhaares, die dann mit einem Fischerknoten zusammengeknüpft wurden. „Fach wird überhaupt in der Fischersprache die Länge eines Pferdehaares genannt. Ein Vorfach wird nämlich eine kurze Schnur von wenigstens einem Fuß Länge genannt, dessen eines Ende ein Öhr und dessen anderes Ende den Haken hat“, so bringt es wieder Baron von Ehrenkreutz 1872 auf den Punkt. Zum Rotaugenfang wurde in früheren Zeiten nur ein Pferdehaar als Vorfach an die Hauptschnur angeknüpft, auf kapitale Fische verdrillte man auch schon einmal zehn Haare zu einem Vorfach. Wohlhabende Angler fischten mit einem gefirnissten Seidenfaden, auf Hecht kam in der Regel eine grobe Hanfschnur mit einem Kettenvorfach zum Einsatz. Es gab sogar ein „Hinterfach“, zur Verlängerung der Hauptschnur an einer unberingten Stipprute: „Es fallen aber oft Umstände, als hohe oder buschige Ufer, Untiefen an dem Rande und dergleichen vor, wo es durchaus notwendig ist, die Schnüre zu verlängern. In dieser Absicht hält man jederzeit, unter den zum Fischfange mitzunehmenden Gerätschaften, eine kurze Schnur von 4 oder 5 Fach in Bereitschaft, welche oben an eine zu gebrauchende Schnur im Fall der Not vermittelst einer Schlaufe leicht anzubringen ist. An einigen Orten heißt eine solche Schnur Hinterfach.“ Dies berichtet das Lexikon von Johann Krünitz im 18. Jahrhundert.

Schrotblei für die Flinte

LG, SG, AA… – was bedeuten die Schrotblei-Abkürzungen? Zur Beschwerung der Angelschnur bediente sich der Angler zu allen Zeiten des Bleis: „Am bequemsten hierzu aber ist ein bis zur Hälfte gespaltenes Hagelkorn, wegen seiner Rundung. Auf die Stelle, wo man das Blei hinzusetzen gedenkt, wickelt man ein Blättchen Lösch- oder anderes feines nassgemachtes Papier, legt das gespaltene Blei darauf, und biegt es wieder zusammen. Durch das untergelegte Papier wird verhindert, dass das Vorfach von der Schärfe des Bleies verletzt werde.“ Diesen Trick verriet Krünitz schon 1778.

SSG, AA, BB – wofür stehen die Schrotblei-Abkürzungen eigentlich?

Die Angler vor 200 Jahren machten sich ihr Bleischrot noch selbst. Sie kauften sich Flintenschrote für Jäger und spalteten sie per Hammer und scharfer Klinge. Die besten Bleikugeln kamen auch damals schon aus England. Dort wurde das Schrot in bis zu 50 Metern großen Falltürmen hergestellt, Tropfen von geschmolzenem Blei fielen in Wasserbecken. Doch was bedeuten heute die kryptischen Bezeichnungen auf den Angelbleidosen? Die Abkürzungen entsprechen der altenglischen Größeneinteilung für Flintenschrote. Das LG der erbsengroßen Angelschrote mit drei Gramm Gewicht steht für „large game“, auf deutsch „großes Wild“. Mit diesen Bleikugeln wurden also größere Tiere wie Rehe gejagt. SG steht entsprechend für „small game“, kleines Wild wie Hasen oder Gänse. SG-Schrotbleie werden von englischen Anglern auch „Swanshot“, Schwanenschrot, genannt. Wofür BB steht, ist unklar. Eine mögliche Antwort, die englische Experten befürworten, könnte „Buck & Ball“ sein. Dies bezeichnet die Füllung für einen Vorderlader, der mit einer dicken Kugel und mehreren kleinen Schroten, eben BB-Schroten, gestopft wird. Eine weitere Erklärung: Gewichte einschließlich und kleiner als BB werden auch „birdshot“, Vogelschrot, genannt.

Bleischrot-Tabelle

Klassischerweise kommen 15 SSG, 35 AAA oder 70 BB-Schrote auf eine Unze von 28,3495 g. Es kursieren aber heute zahlreiche Gewichtseinteilungen für Angelschrote, die alle geringfügig voneinander abweichen. Deshalb hier die „offizielle“ Gewichtstabelle des bekanntesten Schrotbleiherstellers der Welt, der englischen Firma Dinsmores:

LG: 3,0 g
SSG: 1,6 g
SG: 1,2 g
AAA: 0,8 g
AB: 0,6 g
BB: 0,4 g
No. 1: 0,3 g
No. 4: 0,2 g
No. 6: 0,1 g
No. 8: 0,06 g

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